Freitag, 29. Juli 2011

Das Klima-Domino

Wäre ich Lehrer und wollte ich meiner Klasse die gegenwärtige Katastrophe am Horn von Afrika erklären, geriete die Stunde wohl zu einer Lektion über den Klimawandel. Ich würde ein Dominospiel auspacken und die Steine hochkant in einer Reihe aufbauen.



Der erste Stein ist das Klima. Seit drei Jahren hat es in der Katastrophenregion nicht mehr richtig geregnet. In einigen Gegenden, zum Beispiel in Marsabit, wo ich mich zurzeit aufhalte, sind es vier Jahre. Ich tippe mit dem Finger auf Stein eins und lasse das Klima kippen. Der Stein drückt auf den nächsten, die Erde. Diese trocknet infolge der Klimaveränderung aus. Das Wasser wird knapp und knapper, es wächst kein Gras mehr für das Vieh. Nächster Stein.



Die Herden finden kein Futter mehr, werden schwach und müssen gleichzeitig immer längere Distanzen zurücklegen, um an ein paar dürre Halme zu kommen. Kühe, Ziegen und Schafe werden krank, gebären keine Jungtiere und geben keine Milch mehr. Schliesslich gehen sie ein. Massenhaft. Ist keine Milch mehr da, nächster Stein, hungern Kleinkinder und alte Menschen, die sich hier seit Menschengedenken fast nur von Milch ernähren. Nächster Stein. Tote Tiere kann man nicht verkaufen, bringen also kein Geld. Ohne Geld können die Menschen nichts Essbares kaufen. Keinen Mais, keine Bohnen, kein Öl und auch nicht - siehe Stein Zwei - das teuer gewordene Wasser, das - siehe Stein Eins - nun von weit her geholt und immer öfter auch bezahlt werden muss. Unnötig zu erwähnen, dass auch in dieser Katastrophe die Preise für Lebensmittel horrend angestiegen sind und sich teilweise schon verdoppelt haben.

Der Klimawandel mit seinem zerstörerischen Dominoeffekt ist hier in Afrika keine ideologische Frage, sondern längst die brutale Realität und ein Wettlauf von Millionen Menschen um Leben und Tod.

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