Montag, 12. Dezember 2011

Neues aus Marsabit

Das ist nicht das Marsabit, das ich kenne. Bei meinem letzten Besuch im Juli und August war alles Sand und wir hatten Staub gefressen. Kein grüner Halm, kein Tropfen Wasser weit und breit. In der Zwischenzeit hat es fast zwei Monate geregnet, gottlob, und die Natur ist explodiert.



Konnte man sich damals ohne Bedenken gefahrlos auf dem harten kahlen Erdboden bewegen, begibt man sich nun besser nicht ins kniehohe Gras. Allerlei unappetitliches Getier wartet da bloss auf die schmackige Blutbahn in der bleichen Wade. Die Natur ist hier in kurzer Zeit regelrecht explodiert, ein Wahnsinn, aber vor allem wahnsinnig schön.



Der Regen hat zwar auch ein paar neue Probleme gebracht, die hier nachgelesen werden können, unter dem Strich war er aber ein Segen. Und dass jetzt auch Schulferien sind, ist vor allem für die Mütter ein zusätzliches Geschenk. Jetzt können sie auch mal die Gofen losschicken um Wasser zu holen.



Nebst den ausgiebigen Regengüssen von Oktober und November erleichtern, bei aller Bescheidenheit, auch unsere Projekte den langen beschwerlichen Weg der Menschen aus der Katastrophe in die Normalität.



Die Arbeiten an den Wasserspeichern und Dämmen konnten rechtzeitig soweit fertig gestellt werden, dass niemand mehr 30 und mehr Kilometer für ein paar Kanister Wasser zu laufen braucht.



Viele der die lange Dürre überlebenden Tiere haben sich erholt und können wieder für Transporte eingesetzt werden. Die Verteilung von Heu konnte - wie die Wasserlieferungen mit Lastwagen - mittlerweile eingestellt werden. Jetzt stehen andere Herausforderungen an.



Die Anfälligkeit der Bevölkerung auf Krankheiten ist enorm. Viele Kleinkinder und ältere Menschen sind immer noch geschwächt. Durchfallerkrankungen sind an der Tagesordnung. Es gibt Cholera, Masern, Malaria und andere Tropenkrankheiten. Neben der Vorbeugung vor neuen Katastrophen stehen jetzt deshalb die Hygiene und Gesundheitsvorsorge im Fokus. Von Aufklärung und praktischen Trainings bis zu handfesten Aktionen, etwa dem Bau von Waschstellen und sauberen Latrinen.



Auf dem Rückweg von den Projektdörfern in die Stadt fahren wir immer wieder an grossen Feldern dieses Strauches vorbei:



Das ist Khat, oder wie man hier sagt "Miraa". Ein Teufelskraut, das beschwingt, wach hält und extrem schlecht für die Zähne ist. In der Schweiz ist Khat als illegale Droge verboten. Hier gilt der Saft aus den Blätter der hübschen Pflanze wie bei uns Wein und Schnaps als Genussmittel und wird von allen Bevölkerungsschichten fast jeden Alters täglich gekaut.



Miraa gehört zu den wichtigsten Einnahmequellen für die Bauern der Region. Wir lassen trotzden die Finger davon.

Sonntag, 4. Dezember 2011

Die Sache mit der Sicherheit

Die Sicherheitslage im Norden und Nordosten von Kenia hat sich seit meinem letzten Besuch verschärft. Stammesfehden, in die man unverhofft geraten kann, haben zugenommen. Die Gefahr von Überfällen und Entführungen ist deutlich gestiegen. Auch Hilfsorganisationen werden mehr und mehr Ziel von Angriffen. Der Einmarsch der kenianischen Truppen nach Somalia diesen Herbst, hat die Gegend nicht sicherer gemacht. Doch dass hinter den Attacken und Anschlägen immer die somalische Al Shabaab steckt, ist das Mantra einer Anzahl Zeitungen, aber ansonsten Quatsch. Meist ist die Autorenschaft der Angriffe völlig unklar. Banditen? Milizen? Clans? Piraten? Es gibt keine Muster bezüglich Art, Ziel oder Mittel der Aktionen. Und das macht die Sache nicht einfacher.

Ja, richtig gelesen, auch mit Piraten haben wir es hier zu tun. Seit die Schiffe im indischen Ozean und dem Roten Meer vor Somalia zunehmend von schwerbewaffneten Sicherheitsfirmen eskortiert werden, leidet das Geschäft. Nicht wenige Piraterieunternehmen orientieren sich um oder diversifizieren und betreiben zunehmend auch Landpiraterie.

Kurzum, die Sicherheit benötigt höchste Aufmerksamkeit. Der Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den teilweise exponierten Projektgegenden hat erste Priorität. Ende letzter Woche haben wir deshalb die Teams und unsere lokalen Partner zu einem ganztägigen Sicherheitstag nach Nairobi gerufen.



Wir arbeiten in abgelegenen Gebieten, reisen viel und lange. Die minutiöse Planung jedes "field trips" ist das A und O für einen tiefen gesunden Schlaf am Ende des Tages.



Richtiges "Sicherheitmanagement" kann als Kreis dargestellt werden:



Gefahr mal Gefährung gleich Risiko: Am Abend hatten wir die Gefahren, ihre Wahrscheinlichkeit, die Folgen bei Eintreten sowie unsere individuelle Gefährdung für alle Projektgebiete erfasst und beurteilt.




Die Resultate des Workhops fliessen nun in detaillierte Sicherheitspläne, Prozeduren und verbindliche Weisungen.

Für mich heisst das zum Beispiel, dass ich nun nicht auf der Landstrasse nach Marsabit weiterreisen, sondern wieder mit dem kleinen Flügelflitzer auf geringer Flughöhe über die fantastische kenianische Landschaft brummen werde. Das ist nicht nur deutlich sicherer, sondern auch bequemer und dazu noch ein grandioses Erlebnis.